Gingivitis, Halitosis und 35 kariös – was bedeutet die „Geheimsprache“ in der Zahnarztpraxis?

„Eins sieben überkront, eins acht fehlt, zwei acht fehlt“, so spricht der Zahnarzt – signalisiert das Gefahr? Und was ist los, wenn er Worte wie Gingivitis oder Halitosis in den Mund nimmt?

Gingivitis, Halitosis, drei fünf und zwei sieben – in der Zahnarztpraxis versteht man manchmal nur Bahnhof. Wir erklären, was die „Geheimsprache“ bedeutet.

Gingivitis, Halitosis, drei fünf und zwei sieben – in der Zahnarztpraxis versteht man manchmal nur Bahnhof. Wir erklären, was die „Geheimsprache“ bedeutet.

Was ist das überhaupt, was der Zahnarzt da sagt? Erinnert es nicht ein wenig an diese bekannten Zeilen:

„Du musst verstehn!

Aus Eins mach’ Zehn,

Und Zwei lass gehn,

Und Drei mach’ gleich,

So bist Du reich.

Verlier’ die Vier!

Aus Fünf und Sechs,

So sagt die Hex’,

Mach’ Sieben und Acht,

So ist’s vollbracht:

Und Neun ist Eins,

Und Zehn ist keins.

Das ist das Hexen-Einmal-Eins!“

Eine Hexenküche wie aus dem Theaterstück Faust I von Johann Wolfgang von Goethe: So könnte der Versuch zum Brauen eines Verjüngungstrankes unter Deklamieren des Hexeneinmaleins‘ aussehen.

Eine Hexenküche wie aus dem Theaterstück Faust I von Johann Wolfgang von Goethe: So könnte der Versuch zum Brauen eines Verjüngungstrankes unter Deklamieren des Hexeneinmaleins‘ aussehen.

Was sollen wir da „verstehn“?

Wer diesen Geheimcode nicht zu dechiffrieren vermag, muss sich nicht grämen. Schon viele kluge Häupter haben sich in das Hexeneinmaleins von Johann Wolfgang von Goethe hineinzufuchsen versucht. Ist es Magie oder Mathematik, Wissenschaft oder Wissenschaftskritik, Sinnbild für die Abfolge menschlicher Generationen oder einfach Nonstop Nonsens?

Eine klare Sache: Nummern der Zähne

Bis heute tappen wir beim Hexeneinmaleins unseres Dichterfürsten trotz vieler schlauer Theorien im Dunkeln. Licht dagegen lässt sich unschwer in die Nummerierung unserer Zähne bringen. Sagt der Zahnarzt 11, gesprochen: „eins eins“, so meint er den vorderen Schneidezahn in der rechten Oberkieferhälfte. Mit 12 bezeichnet er den seitlichen Schneidezahn rechts daneben. Anschließend kommt der Eckzahn mit der Nummer 13, dann geht es weiter nach hinten zu den sogenannten Prämolaren 14 und 15, schließlich zu den Molaren 16 und 17.

„18 fehlt“ kann der Zahnarzt auch so ausdrücken: „Hier fehlt der Achter.“ Seemännern fällt das Dechiffrieren hier leicht, denn sie wissen um das Achterdeck; ebenso kennt das Plattdeutsche „de achtersten Been“ als die Hinterbeine in dem Lied „Lütt Matten de Has“ (Klein Martin der Hase). Diese Eselsbrücken leiten uns zu der Erkenntnis: Zahn 18 ist im Oberkiefer rechts ganz hinten, genau wie 28 im Oberkiefer links, 38 im Unterkiefer links und 48 im Unterkiefer rechts. Das sind die vier Weisheitszähne. Bei einigen von uns sind sie gar nicht angelegt, bei einigen hat der Kieferchirurg sie entfernt, damit sie nicht die anderen Zähne „nach vorne zusammenschieben“. Denn tendenziell haben wir mit insgesamt 32 Zähnen zu viele für unsere relativ kleinen Kiefer. Vielleicht die Folge eines nicht ganz geglückten Evolutionssprungs.

Alles, was der Mensch zur Nahrungsbearbeitung im Mund aufbieten kann: Schneidezähne (Inzisivi), Eckzähne (Canini), vordere Backenzähne (Prämolare), hintere Backenzähne (Molare) – und jeder Zahn mit einer eigenen Nummer bezeichnet.

Alles, was der Mensch zur Nahrungsbearbeitung im Mund aufbieten kann: Schneidezähne (Inzisivi), Eckzähne (Canini), vordere Backenzähne (Prämolare), hintere Backenzähne (Molare) – und jeder Zahn mit einer eigenen Nummer bezeichnet.

Um den vollen Überblick zu gewinnen, müssen wir beim Zahnarzteinmaleins jetzt nur noch eines „verstehn“: Die Nummern der Zähne im Oberkiefer rechts beginnen alle mit einer 1, die im Oberkiefer links mit einer 2, im Unterkiefer links mit einer 3 und im Unterkiefer rechts mit einer 4. Der Zahnarzt spricht auch von vier Quadranten. Dieser Begriff taucht zuweilen bei der Behandlung von Erkrankungen im Mund auf, zum Beispiel von Gingivitis – halt: Was ist das nun wieder?

Exkursion zu Gingivitis und anderen Entzündungen

Das ist leicht zu verstehn: Gingiva ist das Zahnfleisch, und die Endung „itis“ kennen wir von vielen Entzündungserkrankungen. Sie reichen von der Sinusitis (Nasennebenhöhlenentzündung) über Pharyngitis (Halsentzündung) bis zur Gastritis (Magenschleimhautentzündung) und schließt, im humoristischen Bereich, die Hasenitis bei Bugs Bunny und Daffy Duck ein. Eine Gingivitis und, als schlimmere Form, eine Parodontitis können als Symptome unter anderem Rötung, Schwellung und Blutung hervorbringen und kann auch eine der Ursachen für Halitosis darstellen. Darunter versteht der Zahnarzt den umgangssprachlichen Mundgeruch.

Rötung, Schwellung, Blutung, gegebenenfalls auch Schmerz: Die entzündliche Munderkrankung Gingivitis lässt sich jedoch durch eine adäquate Behandlung heilen.

Rötung, Schwellung, Blutung, gegebenenfalls auch Schmerz: Die entzündliche Munderkrankung Gingivitis lässt sich jedoch durch eine adäquate Behandlung heilen.

Für parodontale Befunde, die Hinweise auf eine Gingivitis oder Parodontitis geben können, verwendet der Zahnarzt ebenfalls eine spezielle Zahlensprache: den Parodontalen Screening-Index (PSI). Dazu teilt er die Kiefer in Sextanten ein, drei im Oberkiefer (S1, S2, S3) und drei im Unterkiefer (S4, S5, S6). Bei jedem einzelnen Zahn testet der Zahnarzt nun, wie weit er eine sogenannte Parodontalsonde in die Zahnfleischtaschen (d.h.: in den „Graben“ zwischen Zahn und dem umliegenden Gewebe) einschieben kann. Dementsprechend weist er den Zähnen Zahlen von 0 (gesund) bis 4 (schwere Form der Parodontitis) zu und nimmt die jeweils höchste Zahl in einem bestimmten Sextanten als „Gesamtergebnis“ für ebendiesen Sextanten. 1 und 2 deuten auf eine Zahnfleischentzündung. Bei einer solchen Gingivitis können durch eine geeignete Behandlung die Ursachen bekämpft und die Erkrankung geheilt werden.

 

Der Zahnarzt tastet in der Zahnfleischtasche mit einem Sensor und klassifiziert die Gingivitis oder Parodontitis gemäß ihrem Schweregrad mit Zahlen von 0 bis 4.

Der Zahnarzt tastet in der Zahnfleischtasche mit einem Sensor und klassifiziert die Gingivitis oder Parodontitis gemäß ihrem Schweregrad mit Zahlen von 0 bis 4.

Bei der Vorbeugung und Behandlung von Gingivitis ergreift der Zahnarzt beziehungsweise seine Assistenz verschiedene Maßnahmen zur Reduzierung der Plaque über und gegebenenfalls auch unter dem Zahnfleischsaum. Für Fortgeschrittene: supra- (über, oberhalb) und subgingival (unterhalb des Zahnfleisches bzw. des Zahnfleischsaums). Die professionelle Behandlung in der Zahnarztpraxis unterstützt und erweitert die Bemühungen des Patienten bei seiner häuslichen Mundhygiene, insbesondere wenn er dabei ersichtlich nur Teilerfolge erzielt und infolgedessen Gingivitis und Halitosis persistieren, d.h. fortbestehen.

Gutes gegen Gingivitis – einfach zu Hause

Doch auch in der häuslichen Mundpflege können wir als Patienten ein ganzes Stück mehr Gutes tun, als uns manchmal bewusst ist: Zahnbürste – klar, Zahnseide – auch gut, aber nichts für mich? Dann greife man auf Interdentalbürsten zurück. Denn Interdentalbürsten lassen sich auch mit weniger ausgeprägter oder antrainierter Feinmotorik gut in die Zahnzwischenräume einführen. Kleiner Hinweis zum besseren Merken: inter = zwischen, dens = Zahn, daher: Interdentalbürsten = zwischen den Zähnen.

Selbst für Mundgeruch kann sich der Zahnarzt eines Zahlencodes bedienen. Da Halitosis von Bakterien auf der Zunge herrühren kann, berechnet er zum Beispiel den Anteil des Zungenbelags bezogen auf die Gesamtoberfläche der Zunge. Außerdem bestimmt der Zahnarzt die Farbe des Zungenbelags. So lassen sich die Symptome besser einschätzen und zielgenau eine adäquate Behandlung einleiten.

Hilfsmittel gegen Halitosis, Gingivitis und Karies

Zur Beseitigung vieler Bakterien, die mit übelriechenden Stoffwechselprodukten für Halitosis mitverantwortlich sein können, empfiehlt sich über Zahnbürste und Interdentalbürsten hinaus ein Zungenreiniger. Er entfernt Beläge von dem Bereich im Mund, wo sich die meisten Bakterien aufhalten.

Das Einmaleins der häuslichen Mundhygiene: Mit den richtigen Hilfsmitteln kann der Patient in der Regel zu einer effektiven Vorbeugung von Parodontitis und Karies gelangen.

Das Einmaleins der häuslichen Mundhygiene: Mit den richtigen Hilfsmitteln kann der Patient in der Regel zu einer effektiven Vorbeugung von Parodontitis und Karies gelangen.

Vor diesem Hintergrund erscheint eine gute Mundhygiene im Vorfeld des ersten Dates als besonders wichtig. Denn in den meisten Fällen sind Bakterien auf Zähnen, Zahnfleisch und Zunge für den üblen Geruch aus dem Mund verantwortlich. Ursache sind schwefelhaltige Verbindungen, die unserem Gegenüber dann als unangenehmer Hauch in die Nase steigen.

Die meisten Bakterien im Mundraum befinden sich übrigens auf der Zunge. Immerhin bietet die raue Zungenoberfläche mit ihren winzigen Papillen zahlreiche Nischen für abgestorbene Zellen, Nahrungspartikel und Mikroorganismen. Damit sich daraus kein Zungenbelag entwickelt, der zu üblem Mundgeruch führt, empfiehlt sich die Verwendung eines Zungenreinigers. Mit ihm lässt sich der Belag beseitigen, potenziell schädliche und Gerüche verursachende Bakterien werden dabei entfernt. Wer seinen Mund zusätzlich zum Zähneputzen auf diese Weise pflegt, der kann dann auch gleich viel selbstbewusster in das erste Date starten.

Neben Interdentalbürsten und Zungenreiniger kann sich eine Mundspüllösung als sinnvoll erweisen. In Form eines Konzentrats steht sie in einer besonders ergiebigen, nachhaltigen und reisetauglichen Variante zur Verfügung. Alles, damit es nicht später heißt: „47 kariös“! Denn das würde ja bedeuten, dass der hintere Backenzahn (vor dem Weisheitszahn 48) von Karies betroffen ist und hier wahrscheinlich gebohrt und gefüllt werden muss.

Graf Zahl und der Beginn des Zähnezählens

Eine unbestätigte Theorie besagt, dass Graf Zahl aus der Sesamstraße einmal damit angefangen haben könnte. Denn durch seine Vampirgestalt (nach dem Vorbild der Draculaverkörperung durch den Schauspieler Bela Lugosi) steht er in unmittelbarer Nähe zur Zahn-Thematik, weist doch Graf Dracula klassischerweise verlängerte Dreier auf – na, verstanden?

Klar: Die Dreier, das sind die Eckzähne: oben rechts 13, oben links 23, unten links 33 und unten rechts 43. Und was im englischen Original viel besser funktioniert: Was macht ein Graf (engl.: count)? Er zählt (to count) – also: Ein Graf zählt = A count counts. Damit ist Graf Zahl als Urheber des Zähnezählens und letztlich des gesamten Zahnschemas doch absolut plausibel. Der Beginn lässt sich datieren auf seinen ersten Auftritt in der Sesamstraße im Jahr 1972. Aber, hey, das ist nur eine Theorie!

Da gibt es für Graf Zahl eine Menge zu zählen von Zahn 11 bis Zahn 48.

Da gibt es für Graf Zahl eine Menge zu zählen von Zahn 11 bis Zahn 48.

Zahnschema für Forschung nach Ursachen und Behandlung

Und jetzt die echte Auflösung: Das internationale Zahnschema mit den Nummern, wie wir sie auch hier verwenden, hat die Fédération Dentaire Internationale (FDI), der Weltverband der Zahnärzte mit Sitz in Genf (Schweiz), im Jahr 1970 eingeführt (bereits zwei Jahre vor Graf Zahl!).

Zu den Vorläufern zählen das Zahnschema nach dem österreichischen Zahnarzt Adolph Zsigmondy (1861) und das Zahnschema nach Victor Halderup (Kopenhagen, 1887). Daneben existiert ein eigenes Zahnschema in den USA: Dabei sind die Zähne von 1 bis 32 für Erwachsene und für Kinder mit den ersten zwanzig Buchstaben des Alphabets (A bis T) durchnummeriert.

Sollte übrigens einmal bei der Behandlung eines Kindes der Zahnarzt „54“ oder ähnliches sagen, dann lässt sich das so einfach verstehen: Bei Kindern sind die Zähne des ersten Quadranten mit 51, 52, 53, 54, 55 nummeriert. Zum Vergleich: Von der „Kindernummerierung“ mit der 5 am Anfang kommt man nach dem Motto „Verlier die vier!“ (will hier heißen: erste Ziffer um 4 vermindern) auf die „Erwachsenennummerierung“. Sie weist die gewohnte 1 für den ersten Quadranten am Anfang auf und geht von 11 bis 18. Die Zähne des zweiten Quadranten tragen bei Kindern die Nummern 61, 62, 63, 64, 65 (Erwachsene: 21 bis 28), die des dritten Quadranten die Nummern 71 bis 75 (Erwachsene: 31 bis 38) und die des vierten Quadranten 81 bis 85 (41 bis 48).

Im Kindergebiss zählt der Zahnarzt die Quadranten nicht von 1 bis 4 (wie beim Erwachsenen), sondern von 5 bis 8. So enthält beispielsweise der dritte Quadrant bei einem Kind Zähne mit den Nummern 71, 72, 73, 74 und 75.

Im Kindergebiss zählt der Zahnarzt die Quadranten nicht von 1 bis 4 (wie beim Erwachsenen), sondern von 5 bis 8. So enthält beispielsweise der dritte Quadrant bei einem Kind Zähne mit den Nummern 71, 72, 73, 74 und 75.

Das Einmaleins der Prophylaxe von Gingivitis & Co. zu Hause

Für die häusliche Mundpflege zur Vorbeugung von Gingivitis, Parodontitis, Halitosis und vielem mehr aber gilt für uns „Mach‘ gleich!“ und „Gewinn mit vier!“: (1) Zahnbürste + (2) Interdentalbürsten + (3) Zungenreiniger + (4) Mundspülungs-Konzentrat.

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