Von Mundgeruch bis Michael Jordan – eine etwas andere Geschichte der Zunge
Ob als Zungenbrecher, gespaltene Zunge oder als Landzunge – die Zunge hilft uns nicht nur dabei, zu sprechen, sondern sie ist auch in zahlreichen Begriffen und Redewendungen unserer Sprache nahezu allgegenwärtig. Somit ist sie ohne Frage ein absoluter Superstar der Kommunikation – und auch so mancher Superstar aus Sport, Musik oder Wissenschaft ist nicht zuletzt für seine Zunge bekannt. Umgekehrt können wir uns wegen ihr aber auch wie ein Loser fühlen, wenn sie beispielsweise für Mundgeruch sorgt oder uns ihr Zungenbelag peinlich ist. Es ist also höchste Zeit, eine etwas andere Geschichte der Zunge zu erzählen!
Was haben die Basketball-Legende Michael Jordan, der Science-Star Albert Einstein und der Rock-Bassist Gene Simmons gemeinsam? Sie sind anerkannte Könner auf ihrem jeweiligen Gebiet. Ja, aber das liegt doch auf der Hand. Sie sind auch im Erwachsenenalter irgendwie Kind geblieben. Ja, das sagt man so – und was noch? Sie sind alle miteinander Zungenrausstrecker!
Die Zunge als Charakteristikum
Es ist uns oft nicht bewusst, aber für viele Lebewesen stellt die Zunge eines der Charakteristika schlechthin dar und wird gern einmal herausgestreckt. Da gibt es die Chamäleons mit ihrer unendlich langen Zunge, rotzüngelnde Strumpfbandnattern, Reptilien mit vitalblauer Zunge oder Wisente, denen die Blauzungenkrankheit zum tödlichen Verhängnis werden kann.
Nicht selten ist die Zunge aber auch beim Menschen ein echter Hingucker. Da verwundert es kaum, dass sich der „Tongue out Tuesday“ als fester Termin für das Posten von Fotos mit herausgestreckter Zunge in den sozialen Medien etablieren konnte.
Für manche Person ist das Herausstrecken der Zunge aber viel mehr als nur ein witziges Social-Media-Phänomen: Sie verraten damit etwas über ihre Kindheit, setzen es zur selbstironischen Distanzierung ein oder zur Bildung des eigenen Ich als Marke.
Eine neue Spielart der väterlichen Zungenmimik
Den Ausnahmesportler Michael Jordan kennt man unter vielen Namen. „GOAT“ zum Beispiel: der Greatest of All Time! Oder „His Airness“ – dieser Ehrentitel steht für seine unangefochtene Lufthoheit durch seine enorme Sprungkraft. Dieses Bild von ihm hat jeder vor Augen: mitten im Flug während eines Dunks, mit seinen legendären Air-Jordan-3-Sneakern und die Zunge weit herausgestreckt. Für Jordan wurde das zum absoluten Markenzeichen und zum Teil seines bis heute andauernden Legenden-Status, für gegnerische Defensivspieler hingegen war es ein Zeichen höchster Gefahr. Doch woher kommt diese charakteristische Zungenmimik?
Es heißt, Michael Jordan habe die „Zunge raus“ ursprünglich von seinem Vater übernommen. Der praktizierte diese typische Bewegung, wenn er sich stark auf seine Arbeit konzentrierte. Der Sohn hat später auf dem Basketballplatz eine ganz eigene Spielart dieser väterlichen Gewohnheit entwickelt.
Kindliche Fragen lange bewahrt und genial beantwortet
Mag sein, dass der Ausnahmewissenschaftler Albert Einstein mit seiner herausgestreckten Zunge darauf hindeutet: „Seht, in mir steckt immer noch ein Lausbub!“ Er hat selbst einmal analysiert, dass ihm gerade das bei seiner Arbeit geholfen habe.
Kindliche Fragen, die jedem in jungen Jahren Kopfzerbrechen bereiten, hat er in seinem Herzen bewahrt und als Erwachsener wieder hervorgeholt – um dann ganz neue Antworten darauf zu finden. Bis zu jener Zeit hatte er sich nur schon viel mächtigere mathematische Verfahren erarbeitet, um sie auf tiefgreifende Probleme rund um Raum und Zeit anzuwenden. Wenngleich sich längst nicht jedem seine genialen Gedanken erschließen, so ist er doch vielen allein schon wegen des berühmten Bildes mit herausgestreckter Zunge noch heute bildlich präsent.
Die unendlich lange Zunge des KISS-Bassisten
Der israelisch-amerikanische Bassist Gene Simmons überzeugt auch als Autor, Produzent, Schauspieler und Unternehmer. Am meisten bekannt wurde er durch die Hard-Rock-Band KISS („I was made for lovin’ you“) – dort auch als Co-Leadsänger.
Und damit sind nicht einmal annähernd alle seine Talente aufgefächert. Mit seinem enorm breiten Schaffen wurde er 2011 als „Persönlichkeit des Jahres“ in die Factual Entertainment Awards Hall of Fame aufgenommen – eine von mehreren Auszeichnungen. Zur persönlichen Markenbildung beigetragen hat sicherlich auch seine chamäleonartig lange Zunge.
Schnell vom Winner zum Loser
So manchem Star verleiht seine Zunge eine unverkennbare Individualität. Umgekehrt tauchen wir mit einer verfärbten oder rissigen Zunge schnell von der „Sunny side of the Street“ der Stars in das Dunkel der Loser ab. Jedenfalls kann es sich leicht so anfühlen.
Die gute Nachricht vorweg: Die meisten Verfärbungen der Zunge sind entweder komplett harmlos oder deuten zusammen mit anderen Symptomen (z.B. Fieber) auf eine umfassendere Erkrankung. Ein Beispiel stellt die ausgeprägt rote Zunge dar, die in Kombination mit Fieber einen Verdacht auf Scharlach erhärtet.
Bei allem Spaß, den uns solche „fun facts“ bereiten können, erfordert mindestens eine mögliche Erkrankung absolute Aufmerksamkeit: Zungenkrebs. Schon deswegen ist es unbedingt angeraten, bei auffälligen Veränderungen der Zunge den Zahnarzt aufzusuchen. Im Verdachtsfalle wird dann eine Gewebeprobe zur Untersuchung an ein spezialisiertes Labor geschickt (Biopsie). Bei positiver Diagnose wird der Arzt zum Beispiel eine chirurgische Entfernung des erkrankten Gewebes und/oder eine Strahlentherapie empfehlen. Raucher tragen ein höheres Krebs- und insbesondere Zungenkrebsrisiko. Daher besteht die Prophylaxe-Maßnahme Nr. 1 hier in der Raucherentwöhnung!
Im Zweifelsfalle Zunge zeigen
Eine gründliche Inspektion der Zunge lohnt sich in jedem Falle. Viel wahrscheinlicher als Zungenkrebs ist eine der folgenden Diagnosen: Bei der Schwarzen Haarzunge (medizinisch: Lingua villosa nigra) weist die Zunge im mittleren und hinteren Teil einen schwarzen Zungenbelag auf. Das geht mit einer strukturellen Oberflächenveränderung einher, wobei es sich weniger um „Haare“ als vielmehr um eine Art Pelz handelt: fadenförmige und oben gezipfelte Papillen (medizinisch: Papillae filiformes). Rauchen, Kortison und Antibiotika scheinen Risikofaktoren für die Schwarze Haarzunge darzustellen.
Zu den Gegenmitteln zählen zum Beispiel die örtliche Anwendung von Salicylsäure, Trichloressigsäure oder Harnstoff. Ebenso bewährt sich die Entfernung des Zungenbelags mit einem Zungenschaber. Doch verschwindet die Schwarze Haarzunge meist von selbst wieder und ist im Nachhinein nur eine harmlose, zeitlich begrenzte ästhetische Beeinträchtigung gewesen.
Die Zunge kann darüber hinaus so ungefähr alle Farben des Regenbogens annehmen, von Blau wie beim Blauzungenskink bis rot wie bei der Strumpfbandnatter. Eine temporäre Blaufärbung kann beim Menschen durch Rotwein oder Waldbeeren hervorgerufen werden. Blauviolett kann sie bei Sauerstoffmangel infolge einer schweren Lungen- oder Herzkrankheit erscheinen.
Eine ausgeprägt gerötete und dabei wunde Zunge kann auf eine Pilzinfektion hinweisen, eine dauerhaft rote „Erdbeerzunge“ auf Scharlach oder das Kawasaki-Syndrom, eine Entzündung der Blutgefäße. Rauchen kann einen gelblichen Zungenbelag zur Folge haben. Nur in seltenen Fällen signalisiert er eine Leber- oder Gallenerkrankung. Auch kann es sich um eine Vorstufe der Schwarzen Haarzunge handeln, die in einem Durchgangsstadium einen grün-/braunen Zungenbelag aufweist.
Eine Ausnahmeerscheinung stellt die sogenannte Landkartenzunge dar. Sie manifestiert sich in ungleichmäßigen roten Flecken und weißen Linien. Da sieht die Zunge auf einmal aus wie eine Landkarte. Die „roten Länder“ können durch sehr scharfe oder saure Speisen wund werden. Die Landkartenzunge ist dennoch als harmlos einzustufen.
Mundgeruch und was sich dagegen tun lässt
Unangenehmer als vorübergehende ästhetische Beeinträchtigungen ist die Begleiterscheinung „Mundgeruch“. Sie kann überall dort auftreten, wo eine belegte Zunge Bakterien Unterschlupf gewährt. Sie bzw. ihre Stoffwechselprodukte können dann unangenehme Geruchsempfindungen auslösen.
Entgegenwirken lässt sich am besten mit den bekannten Mundhygienemitteln: Zahnbürste, Zahnpasta, Zahnseide, Interdentalbürsten, Mundwasser (auch als praktisches Konzentrat), Zungenschaber. Dieser stellt sogar ein besonders wichtiges Instrument für die häusliche Mundpflege dar, denn sage und schreibe 60 bis 80 Prozent aller Mikroorganismen, die im Mund vorkommen, befinden sich auf der Zungenoberfläche.
Durch eine gute Hygiene lassen sich etwaige Probleme mit Zähnen und oralen Weichgeweben, wie etwa einer belegten oder gar brennenden Zunge, reduzieren. Der Patient arbeitet sich, gegebenenfalls mit tatkräftiger Unterstützung durch seinen Zahnarzt und dessen Team, Schritt für Schritt zurück zu seiner Topform und darf sich nun wieder, statt als Loser, als (kleiner) Star fühlen.