Plaque, Bakterien und Biofilm – so entstehen Zahnfleischentzündung, Mundgeruch und Karies

Plötzlich Blut im Waschbecken! Zahnfleischbluten zählt zu den typischen Symptomen einer Zahnfleischentzündung. Dabei kann es sich um eine Gingivitis handeln, die sich durch geeignete Behandlung ausheilen lässt, oder um eine Parodontitis, die als chronische Erkrankung lebenslang regelmäßige therapeutische Maßnahmen erfordert. Doch was sind die tieferliegenden Ursachen? Und wie lässt sich ihnen beikommen?

 

Alarm: Zahnfleischbluten ist ein typisches Symptom einer Zahnfleischentzündung.

Alarm: Zahnfleischbluten ist ein typisches Symptom einer Zahnfleischentzündung.

Ursachen des Zahnfleischblutens

Ob Zahnfleischentzündung, Karies, Mundgeruch oder eine beliebige andere Erkrankung – über Jahrhunderte und Jahrtausende galt die Vier-Säfte-Lehre als das Erklärungsmodell schlechthin: Wenn die vier Körpersäfte Blut, Schleim, gelbe Galle und schwarze Galle im menschlichen Körper ins Ungleichgewicht geraten, so kann ihn das krank machen. Eine natürliche Dynamik lässt sich an jahreszeitlichen Schwankungen ablesen. Mehr Schleim gibt es im Winter, im Herbst lässt ein Mehr an schwarzer Galle den Menschen melancholisch werden.

 

Nach der mittelalterlichen Vier-Säfte-Lehre kann zur Herbstzeit im Menschen die schwarze Galle, einer der vier Körpersäfte, die Oberhand gewinnen und Melancholie verursachen.

Nach der mittelalterlichen Vier-Säfte-Lehre kann zur Herbstzeit im Menschen die schwarze Galle, einer der vier Körpersäfte, die Oberhand gewinnen und Melancholie verursachen.

Alles Quatsch, oder?

Tatsächlich ist die bis ins Mittelalter und noch etwas darüber hinaus medizinisch gängige Vier-Säfte-Lehre heute überholt. Wir wissen es besser, und doch kann uns ein Grundgedanke weiterhin als Orientierungspunkt dienen: Krank werden wir, wenn im Körper ein Gleichgewicht zu sehr gestört wird.

Unsere Darmflora besteht aus vielen Bakterien, und wir brauchen auch viele davon zur Verdauung. Beim gesunden Menschen stehen sie in einem „guten“ Verhältnis zueinander. Gewinnen aber Spezies wie Salmonellen oder Campylobacter die Oberhand, so kommt es zu Durchfall.

 

Das Mikrobiom des Mundes, d.h. die Gesamtheit der dortigen Mikroorganismen, enthält allein zirka 700 Bakterien unterschiedlicher Arten. Herrscht ein Ungleichgewicht, kann eine Zahnfleischentzündung drohen.

Das Mikrobiom des Mundes, d.h. die Gesamtheit der dortigen Mikroorganismen, enthält allein zirka 700 Bakterien unterschiedlicher Arten. Herrscht ein Ungleichgewicht, kann eine Zahnfleischentzündung drohen.

Im Mund zählen wir etwa 700 Bakterien. Hinzu kommen Pilze, Viren und Protozoen (tierische Einzeller). Im gesunden Mund stehen sie im Gleichgewicht (Homöostase) und halten sich dabei zum Teil gegenseitig in Schach. Munderkrankungen wie eine Zahnfleischentzündung entstehen durch eine Störung dieses Zusammenspiels (Dysbiose).

Im erkrankten Mund gewinnen gesundheitsschädliche (pathogene) Akteure die Oberhand. Im Falle von Karies handelt es sich namentlich um das Bakterium Streptococcus mutans. Das Zahnfleisch wird besonders von Porphyromonas gingivalis, Tannerella forsythia, Treponema denticola, Aggregatibacter actinomycetemcomitans und Fusobacterium nucleatum bedroht. Sie können eine Zahnfleischentzündung auslösen und zu Symptomen wie Zahnfleischbluten und Mundgeruch führen.

Dynamik der Bakterien – zeitweiliger Mundgeruch

Noch ein weiterer Gedanke aus der Vier-Säfte-Lehre erscheint interessant: die Dynamik. Die Rede war bereits von einer jahreszeitlichen Dynamik (mit „mehr Schleim im Winter“). Im Mund stellen wir eine Tag-Nacht-Dynamik fest. Diese nehmen wir sogar deutlich wahr, wenn wir morgens mit einem unangenehmen Geschmack und Mundgeruch aufwachen. Werden die Bakterien im Mund nachts so richtig aktiv, treiben dann ein vampirhaftes Unwesen und lösen Zahnfleischbluten, Mundgeruch und andere Symptome aus?

Werden Bakterien des nachts extra aktiv? Ein bisschen was ist schon dran.

Werden Bakterien des nachts extra aktiv? Ein bisschen was ist schon dran.

Zunächst ist festzuhalten: Über Nacht wird der Mund von einem offenen zu einem geschlossenen System. Der Speichelfluss und das Schlucken vermindern sich, so dass Bakterien und andere Mikroorganismen weniger effizient abtransportiert werden. Überraschen mag, dass sich auch die Häufigkeit bestimmter Bakterien-Arten im Vergleich zu anderen über Nacht ändert. Zum Beispiel findet sich am Morgen vermehrt Prevotella auf dem Zugenrücken, eine Bakterienart, die offenbar über ihren Stoffwechsel besonders viel Methanthiol produziert. Dieser schwefelhaltige Stoff riecht nach verfaultem Gemüse.

Unangenehm: Mundgeruch am Morgen.

Unangenehm: Mundgeruch am Morgen.

Der hier behandelte morgendliche Mundgeruch stellt allerdings ein vorübergehendes (transientes) Phänomen dar und ist insofern nicht pathologisch. Er ist ähnlich harmlos wie der zeitweilige Mundgeruch nach Verzehr von Knoblauch. Wie aber unterscheidet man harmlosen von pathologischem Mundgeruch?

Echter Mundgeruch – Hinweis auf mögliche Erkrankung

Ein nicht nur transienter, sondern persistierender („echter“) Mundgeruch kann auf eine dauerhafte Verschiebung eines ursprünglichen Gleichgewichts zwischen Bakterien und anderen Mikroorganismen im Mund hinweisen. Dies ist durch den Zahnarzt abzuklären, insbesondere wenn gleichzeitig Zahnfleischbluten auftritt. Dann liegt der Verdacht nahe, dass eine Gingivitis (Zahnfleischentzündung) oder gar Parodontitis (Entzündung des Zahnhalteapparats) zugrunde liegt, was eine gezielte Behandlung notwendig macht.

Zahnfleischentzündung bleibt oft zunächst unerkannt – triff Schmerz auf, ist die Erkrankung womöglich schon weit fortgeschritten.

Zahnfleischentzündung bleibt oft zunächst unerkannt – triff Schmerz auf, ist die Erkrankung womöglich schon weit fortgeschritten.

Zahnfleischentzündung und Mundgeruch

Es haben sich dann in bestimmten Zahnfleischtaschen (lokale Zahnfleischentzündung) oder sogar in allen Zahnfleischtaschen (generalisierte Zahnfleischentzündung) Bakterien eingenistet, die Methanthiol und andere Thiole produzieren. Dabei handelt es sich um eine Stoffgruppe, die den uns bekannten Alkoholen ähnelt, nur dass an der Stelle des Sauerstoffatoms ein Schwefelatom sitzt. Entsprechend höllisch stinkt das Ganze.

Sowohl die Vier-Säfte-Lehre als auch unsere heutige „ökologische Plaque-Hypothese“ gehen davon aus, dass im Körper sensible Gleichgewichte aufrechterhalten werden müssen.

Sowohl die Vier-Säfte-Lehre als auch unsere heutige „ökologische Plaque-Hypothese“ gehen davon aus, dass im Körper sensible Gleichgewichte aufrechterhalten werden müssen.

Eine adäquate Behandlung schließt insbesondere die Entfernung der bakterienhaltigen Beläge durch den Zahnarzt oder eine qualifizierte Assistenz ein. Doch auch zu Hause kann ein Patient eine Menge tun: Mit Interdentalbürsten entfernt er Beläge zwischen den Zähnen effektiver als nur mit der Zahnbürste. Mit einem Zungenreiniger befreit er die Zunge; dort sitzen sogar die meisten Bakterien, die im Mund vorhanden sind, und produzieren womöglich munter Schwefelwasserstoff. Neben Interdentalbürsten und oder Zahnhölzern aus Kunststoff („Dental Picks“) sowie einem Zungenreiniger kann sich eine Mundspüllösung als sinnvoll erweisen. In Form eines Konzentrats steht sie in einer besonders ergiebigen, nachhaltigen und reisetauglichen Variante zur Verfügung.

Schwer erreichbare Stellen zwischen den Zähnen lassen sich mithilfe von Dental Picks von Bakterien befreien.

Diskussion der Optionen zur Behandlung

Obwohl die Vier-Säfte-Lehre heute obsolet ist, kann sie uns noch jetzt einige richtige Denkanstöße geben. So manche Erkrankung lässt sich als Gleichgewichts-Störung auffassen. Bei Munderkrankungen wie Karies, Zahnfleischentzündung, Parodontitis oder persistierendem Mundgeruch ist das Mikrobiom aus dem Ruder gelaufen.

Als Mikrobiom wird die Gesamtheit aller Mikroorganismen bezeichnet: Bakterien, Viren, Pilze, Protozoen. Sie halten sich im Gleichgewicht und kommen mit Auslenkungen, wie etwa Verschiebungen der Gesamtmenge und der Anteile der einzelnen Bakterien-Sorten im Tag-Nacht-Rhythmus im Normalfall zurecht.

Erst wenn diese Auslenkungen zu groß werden, reichen die Rückstellkräfte des Körpers womöglich nicht mehr aus. Nun könnte man fragen: Wenn schon die Vorstellung von Erkrankungen als Gleichgewichts-Störung in früheren Jahrhunderten nicht gar so verkehrt war, können wir dann aus den damaligen therapeutischen Ansätzen etwas lernen?

Oder wusste man einfach noch so wenig, dass Heilung reine Glückssache war? Man könnte sich das so vorstellen: Eine Urne wird mit Losen gefüllt, und auf jedem Los steht die Bezeichnung eines Heilkrauts. Dann ruft ein Patient, er habe eine Zahnfleischentzündung, und der Arzt zieht ein Los. Mit etwas Glück hilft das zufällig gewählte Kraut, oder eben nicht – Pech gehabt.

Althergebrachte Heilkunst

In unserem Jahrtausend hat man bei zwei Vertreter:innen althergebrachter Heilkunst, Leonhart Fuchs und Hildegard von Bingen, die Probe aufs Exempel gemacht. Man ging von der Behauptung aus, dass ihre Rezepte reine Zufallsprodukte seien; schließlich hatten sie doch vor 500 Jahren (Leonhart Fuchs) oder 1000 Jahren (Hildegard von Bingen) nach heutigen Maßstäben keine Ahnung von Medizin. Dann verglich man jedoch unter Verwendung statistischer Verfahren („Urnen-Methode“) die jahrhundertealten Therapievorschläge mit unseren gesicherten Erkenntnissen und stellte fest: Sowohl Leonhart Fuchs als auch Hildegard von Bingen lagen klar besser, als es eine Auswahl von Heilmitteln nach dem reinen Zufall hätte vermuten lassen.

Das heißt zwar nicht, dass wir nun direkt aus den alten Schriften aktuelle Therapieverfahren herleiten könnten. Zumindest aber dies: Auch vor mehreren hundert Jahren verfügten bestimmte heilkundige Personen über ein Wissen um gezielte Optionen zur Behandlung von Krankheiten mit der Aussicht auf Erfolg – besser jedenfalls als eine rein zufällige Auswahl von vermeintlichen Heilmitteln. Darum sollte es sich lohnen, die damaligen Therapievorschläge genauer zu studieren und womöglich etwas für die heutige Medizin neu- oder wiederzuentdecken.

Das große Vorbild und Paradebeispiel ist das Artemisin aus dem einjährigen Beifuß (Artemisia annua). Seine Karriere begann in der chinesischen Volksmedizin. Ihr Erfahrungswissen hat bei der Indikationsstellung und Weiterentwicklung geholfen. Heute ist Artemisin ein wichtiger und von der WHO empfohlener Anti-Malaria-Wirkstoff.

Einer von mehreren Vorschlägen für zahnmedizinisch wirksame Heilpflanzen: Ysop.

Einer von mehreren Vorschlägen für zahnmedizinisch wirksame Heilpflanzen: Ysop.

Zukünftige Forschung und Bewährtes für die Gegenwart wie Zungenreiniger

Speziell für die Behandlung von Munderkrankungen haben sowohl Hildegard von Bingen als auch Leonhart Fuchs Vorschläge hinterlassen:

Hildegard von Bingen empfiehlt gegen Zahnweh den Nachtschatten (wissenschaftlicher Name nach heutiger Nomenklatur: Solanum nigrum L.) mit den Worten: „Wer Zahnweh hat, lege ihn auf die Kinnlade.“ Einem Menschen, „der von fäuligem Blut geplagt wird und durch eine Ausscheidung des Gehirns an den Zähnen leidet“, soll Wermut (Artemisia absinthium L.) in Kombination mit Eisenkraut helfen. Und „wenn jemand an Schmerz und Schwellung des Zahnfleisches leidet“, dann greife er zu Lattich bzw. Gartenlattich (Lactuca sativa L.) in Kombination mit Eichenblättern und Kerbel.

Bei Leonhart Fuchs findet man gegen Zahnschmerzen ebenfalls den Wermut, doch darüber hinaus viele weitere Kräuter (z.B. Ysop, Mariendistel, Gänsefingerkraut). Speziell gegen Zahnfleischentzündung empfiehlt Fuchs das Burzelkraut, die Eiche und die Paprika. Zur Stärkung des Zahnfleischs dienen Erdbeere, Polei, Rosen und Wegerich.

Was sich daraus für die heutige Prophylaxe und Behandlung von Zahnfleischentzündung, Mundgeruch und Karies ableiten lässt, bleibt einstweilen der zukünftigen Forschung vorbehalten. Gesichert sind jedoch die positiven Wirkungen von Zungenreiniger, Interdentalbürsten, Zahnhölzern aus Kunststoff („Dental Picks“) und dem Konzentrat für Mundwasser.

Ein gesunder Mund setzt heutzutage zwingend aktuelle adäquate Hilfsmittel für die häusliche Mundhygiene voraus. Neben Zahnbürste und Zahnpasta können sie unter anderem Interdentalbürsten, Zungenreiniger und Mundwasser als Konzentrat umfassen.

Ein gesunder Mund setzt heutzutage zwingend aktuelle adäquate Hilfsmittel für die häusliche Mundhygiene voraus. Neben Zahnbürste und Zahnpasta können sie unter anderem Interdentalbürsten, Zungenreiniger und Mundwasser als Konzentrat umfassen.

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